Die Tagung “Energiesysteme im Wandel – Chancen für die Region” hat die Bandbreite von Bürgerbeteiligungsmodellen, technische Lösungen zur Treibhausgasreduzierung sowie natürliche CO2-Senken vorgestellt.

Deutschland verfügt unter anderem mit Sonne, Wind, Wald, Mooren und Ingenieurkunst über alle Grundlagen für Klimaschutz und damit für Frieden und Wohlstand. Mit diesem Wissen hätten sich die Gäste der Tagung „Energiesysteme im Wandel – Chancen für die Region“ auf der Insel Mainau zufrieden zurücklehnen können. Doch im Gegenteil war die Stimmung unter den Vertreter*innen von Kommunalverwaltung, Energieberatung und Zivilgesellschaft alles andere als entspannt.
Zum 24. Mal hatten Bodensee-Stiftung, Landesforstverwaltung BW, Mainau GmbH und solarcomplex AG zu der Veranstaltung eingeladen. Die klare Botschaft der Referent*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung auf der Insel Mainau: Die Energiewende muss deutlich schneller vorangetrieben werden – und Bürger*innen können dabei nicht nur aktiv mitwirken, sondern auch wirtschaftlich profitieren.
Wertschöpfung bleibt in der Region
„Der Ausstieg aus fossilen Energien ist nicht nur zum Schutz vor Wetterextremen nötig, sondern auch eine Frage von Krieg und Frieden”, betonte Prof. Dr. Michael Sterner, der mit seiner Eröffnungsrede den Verstand und einer abschließenden Gitarreneinlage das Herz der Gäste ansprach. Prof. Dr. Pedro da Silva von der Teckwerke Bürgerenergie eG brachte es provokant auf den Punkt: Ein Öltanker sei ein Geldtransporter in autokratisch regierte Länder. Genossenschaften zur Finanzierung regenerativer Energien böten dagegen die Möglichkeit für Investitionen und Gewinne vor Ort. Bürger*innen profitierten dabei nicht nur von Dividenden, sondern auch von besserer Infrastruktur in ihrer Gemeinde.
Von Crowdfunding bis Genossenschaft

Welche Möglichkeiten für Beteiligungen gibt es? Referent*innen aus Österreich und der Schweiz gaben motivierende und inspirierende Antworten. Klar wurde: Nicht jedes Konzept passt für alle. Aber für alle Konzepte gilt: Sie sind ein Gewinn für jeden. Mit Blick auf Klimawandelfolgekosten seien „erneuerbare Energien der günstigste Weg, den unsere Volkswirtschaft gehen kann“, betonte Prof. Sterner. Dennoch könnten die politischen Rahmenbedingungen günstiger sein. Viola Theesfeld gab ernüchternde Einblicke in die Lobbyarbeit des „Bündnis Bürgerenergie“, das sich als Stimme der dezentralen Energiewende in Berlin sieht.
Investitionen als Frage des Lifestyles
„Unser Geld wirkt”, erläuterte Verena Riedler von der Crowdfunding-Plattform „KlimJa”. Den wenigsten Menschen sei bewusst, dass ihr Sparvermögen durch Investitionen der Banken in fossile Energien einen größeren ökologischen Fußabdruck hinterlasse als Fliegen oder Fleischkonsum. Mátyás Schreiber von „Energiewenden AT” machte deutlich: Die Investition in die Energiewende müsse eine Lifestyle-Frage werden. Gerade regionale Projekte erfüllten die Suche nach Selbstwirksamkeit und Sinnhaftigkeit.
Bene Müller, Vorstand der solarcomplex AG, betonte die Erfolgsgeschichte der Bürgerenergiegenossenschaften und stellte die Frage nach dem „Wie weiter?“. Politische Rahmenbedingungen, eine Veränderung im gesellschaftlichen Engagement und die Komplexität beispielsweise von Windkraftparks erfordere eine Professionalisierung.
Technik für CO2-Vermeidung ist vorhanden

Traditionell wirft die Tagung einen Blick auf technische Konzepte, zum Beispiel nach Pullach, wo die „tiefe Geothermie als potenzieller Champion der Wärmewende“ wirkt. Bene Müller zeigte am Beispiel des geplanten Nahwärmenetzes Dingelsdorf-Wallhausen das Potential der Seethermie auf, Dr. Thomas Stark, Professor für energieeffizientes Bauen an der Hochschule Konstanz HTWG, machte Möglichkeiten und Perspektiven der gebäudeintegrierten Photovoltaik anschaulich und Daniela Dietsche von der Bodensee-Stiftung stellte mit Dieter Schenk von der ZinCo GmbH die Kombination von Gründach und PV-Anlage als das „Multitalent“ für Energiewende, Klimawandelanpassung und Biodiversität vor.
Klimaschutz dank natürlicher CO2-Senken
Neben der Vermeidung von Treibhausgasemissionen müsse auch die Bindung von Kohlenstoff in so genannten „natürlichen CO2-Senken“ dringend ausgebaut werden. Bekannt ist die Bedeutung des Waldes, dessen Zustand Dominic Cullmann von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg mit Hilfe der Ergebnisse der Bundeswaldinventur vorstellte. Wie Holz mit dem energieintensiv hergestellten Beton konkurrieren kann, zeigte Elias Wahl von ProHolz Schwarzwald mit eindrücklichen Beispielen aus dem Wohnungsbau.
Noch wenig bekannt ist die Wirkung von Pflanzenkohle: Wie ein Schwamm kann das poröse Material CO2 aufnehmen und über Jahrhunderte speichern. „Ein Kilogramm bindet rund drei Kilogramm CO2“, rechnete Noel Schweizer vom Schweizer Unternehmen Zindel United vor. Das Unternehmen wandelt in einem technischen Verfahren namens Pyrolyse Biomasse wie Äste oder Blätter in Kohle um. Die Pflanzenkohle kann unter anderem in der Biolandwirtschaft zur Verbesserung der Bodenqualität, als Tierfutterzusatz oder als Aktivkohle in der Wasserreinigung eingesetzt werden.
Moore sind Klimaschutz-Kraftpakete, wenn sie nass sind

Volker Kromrey, Geschäftsführer der Bodensee-Stiftung, betonte die Bedeutung nasser Moore für den Klimaschutz. In trockenem Zustand stoßen sie 20 bis 40 Tonnen CO2 pro Hektar und Jahr aus, allein im Landkreis Konstanz auf rund 2800 Hektar. Baden-Württemberg hat sich mit seiner Moorschutzstrategie vorgenommen, bis 2040 alle trockenen Moorböden wiederzuvernässen. Die Bodensee-Stiftung wurde vom Umweltministerium des Landes hierzu als eine Umsetzungsagentur beauftragt. „Die Umsetzung beruht auf Freiwilligkeit“, betonte Kromrey. Sie gelinge nur durch individuelle Lösungen, die alle Nutzergruppen einbeziehen – von Beweidung über den Anbau von nässetoleranten Kulturen wie Schilf oder Rohrglanzgras bis hin zu Moor-PV. Erst kürzlich hat die Bodensee-Stiftung eine „Orientierungshilfe Moor-PV für landwirtschaftliche Betriebe“ veröffentlicht.
Im kommenden Jahr findet die Tagung zum 25. Mal statt. Auch beim Jubiläum am 24. und 25. September 2026 wollen die Veranstalter schleppenden Entwicklungen zum Trotz konstruktive Lösungen für die Energiewende präsentieren.
Weitere Informationen auf der Website von “Energiesysteme im Wandel – Chancen für die Region”. Hier werden in wenigen Wochen die Vorträge der jüngsten Veranstaltung zum Nachschauen zur Verfügung stehen.