Das Projekt „Wir im Wald“ hat Kommunikationskonzepte dafür entwickelt, dass Auseinandersetzungen zwischen Waldnutzenden entschärft oder besser gleich vermieden werden. Ein Besuch im Stadtwald Konstanz unterstreicht, wie aktuell das Thema ist.

Welche Konflikte entstehen zwischen Menschen, die sich im Wald aufhalten und ihn für unterschiedliche Aktivitäten nutzen? Wie können sie entschärft und mit welchen (Kommunikations-)Mitteln vermieden werden? Die Bodensee-Stiftung hat zusammen mit der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg und der Hochschule der Medien Stuttgart, gefördert durch das Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat, in vier Regionen in Deutschland zu unterschiedlichen Konflikttypen Lösungen erarbeitet und erprobt. Bei einem Treffen in Konstanz entdeckten die Projektpartner beim Besuch des Stadtwalds mit Försterin Irmgard Weishaupt Parallelen zu den Projektregionen – und spezielle Herausforderungen.
Der Wald ist Erholungsraum, er wird wirtschaftlich genutzt und ist nicht zuletzt Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Die Interessen von Sport, Forst, Jägerschaft und Naturschutz sind nicht immer deckungsgleich. Spaziergänger haben in manchen Fällen kein Verständnis für Forstarbeiten, Hundebesitzer können Jäger aufbringen, Mountainbiker Spaziergänger verschrecken. Das Projekt „Wir im Wald“ hat die Bedürfnisse der verschiedenen Nutzergruppen im intensiven Austausch mit ihnen erfasst. Unter anderem haben sich 4700 Waldnutzende an einer Umfrage beteiligt, mit der klassische Konfliktarten sowie deren Treiber erhoben werden konnten.
Konflikte in Freiburg ähnlich wie in Konstanz
Als Projektregionen standen der Rangsdorfer See im Landkreis Teltow-Fläming, der Hirschberg im Landkreis Miesbach, der Rothaarsteig im Hochsauerlandkreis und der Stadtwald Freiburg im Mittelpunkt. Hier wurde jeweils eines der folgenden Konfliktthemen analysiert: Missachtung von Regeln, hohes Besucheraufkommen, Akzeptanz von Forstmaßnahmen sowie Konflikte zwischen Radfahrenden und weiteren Erholungssuchenden. Irmgard Weishaupt weiß insbesondere, was letzteres bedeutet: „Ein Streit zwischen Spaziergängern und Mountainbikern kann sich schnell hochschaukeln“, hat die Konstanzer Försterin beobachtet. Direkt am Mountainbiketrail „Dachsbau“ im Schwaketenwald machte sie den Projektpartnern anschaulich, wie frühere Konflikte beigelegt werden konnten – und neue aufkamen.

Der Stadtwald sei grundsätzlich ein beliebtes Naherholungsgebiet. Durch die Nähe zur Universität Konstanz sei die Zahl der Mountainbiker hier vielleicht höher als in anderen Städten vergleichbarer Größe, vermutet sie. Einen Boom habe das Mountainbiken dann während der Corona-Lockdowns erfahren – zu einer Zeit, als auch Spaziergänger noch stärker als davor den Wald besuchten. Es blieb nicht nur bei verbalen Reibereien, auch wurde ein Hund verletzt und ein Wanderer umgefahren. „Ich bin Försterin, keine Streitschlichterin“, kommentiert sie ihre Versuche zu vermitteln.
Zwischen Trail und Trampelpfad – wie Waldnutzende ins Gespräch kamen
Eine Online-Veranstaltung, zu der das Sportamt der Stadt Konstanz eingeladen hatte, besuchten mehr als 400 Gäste, die in Kleingruppen in Breakout-Sessions miteinander ins Gespräch kamen – eine Bestätigung für die Projektpartner von „Wir im Wald“, die in ihrem Projekt auf „deliberative Kommunikation“ setzten. „Darunter verstehen wir einen Austausch von Argumenten, bei dem man die eigene Perspektive erklärt und versucht, die Perspektiven der anderen zu verstehen“, erläutert Dr. Alexander Mäder, Professor an der Hochschule der Medien Stuttgart. Um dies zu erreichen, hat er mit Studierenden entsprechende Austauschformate in den Projektregionen erprobt, wie z.B. das halboffene Gesprächsformat Fishbowl-Diskussion oder Waldspaziergänge mit Live-Übertragung in sozialen Medien. In 90 Minuten löse man zwar keinen Konflikt, könne aber einer Einigung einen Schritt näherkommen, berichtet Mäder.
„Es war immer wieder spannend, unterschiedliche Sichtweisen kennenzulernen“, sagt Andreas Ziermann von der Bodensee-Stiftung rückblickend. Hauptbeitrag der Bodensee-Stiftung zum Projekt war die umfassende Datenerhebung, unter anderem mit Zählgeräten an Wanderstrecken und Trails sowie quantitativen und qualitativen Interviews mit verschiedenen Waldnutzenden. „Auch mit der geoinformatischen Analyse von Tourempfehlungen konnten wir unterschiedlichen Akteursgruppen helfen, Orte möglicher Konflikte zu erkennen und zu entschärfen“, erläutert Ziermann.
Neuer Konfliktherd an anderer Stelle
Der Austausch mit und unter den Waldnutzenden hat auch in Konstanz zur Beilegung der Konflikte beigetragen. Unter anderem ist die Gründung des Mountainbike Clubs Konstanz initiiert worden, der die Sicherheit von Trails gewährleistet und die Sportlerinnen und Sportler zu rücksichtsvollem Verhalten anhält. Mit Unterstützung der Stadt, der Forstbehörde, der Mainau GmbH und weiteren Waldeigentümern wurde ein Konzept erarbeitet, das alle Interessen – Sport, Natur, Sicherheit – in Einklang bringt. Insgesamt 20 Kilometer legalisierte Trails werden mit freiwilligen Helfern saniert oder neu gestaltet und geprüft, um bestehende Nutzungskonflikte zu entschärfen und den ungenehmigten Bau von Trails zu reduzieren. Die ersten Abschnitte wurden im Mai 2025 mit 200 Besuchern nach dreieinhalb Jahren Planung und Umsetzung eröffnet.
Nach einer Zeit der Entspannung sieht sich Irmgard Weishaupt inzwischen aber wieder mit Herausforderungen konfrontiert: Nun ist ein Konflikt zwischen Mountainbikegruppen entflammt. Eine Gruppe habe wenig Interesse an den legalen Trails, sondern zerstöre im Gegenteil Hinweisschilder und beschädige die Routen. „Liegt dies darin begründet, dass sie damals noch nicht aktiv und somit noch nicht in den Aushandlungsprozess involviert war? Fühlt sich diese Nachfolgegeneration nicht gehört?“, zog Volker Kromrey, Geschäftsführer der Bodensee-Stiftung, in Erwägung. „Oder ist es eine Frage des Respekts vor den Leistungen anderer und damit eine Werte- und Lebensstilfrage? Immerhin sind die Trails in Konstanz in Freizeitarbeit entstanden, in der sich Menschen freiwillig für die Allgemeinheit engagiert haben“, stellte Dr. Monika Bachinger fest, Professorin für Tourismus an der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg, die das Projekt koordiniert.
Zum Abschluss des Projekts wird das Team Videoleitfäden veröffentlichen, die in den Projektregionen entstanden, aber allgemeingültige Handlungsempfehlungen für Waldnutzende beinhalten. „Ich werde sie mir anschauen“, kündigte Irmgard Weishaupt an. Schon jetzt sind Videoanleitungen abrufbar, zum Beispiel dazu, wie der Forst über Instagram Nutzungsgruppen erreichen kann.
Weitere Informationen auf der Projektwebsite von “Wir im Wald”.