Das Projekt „Wir im Wald“ liefert praxisnahe Kommunikationshilfen für Forst, Tourismus, Sport und Naturschutz.

Konflikte im Wald gibt es viele – wie durch ignorierte Wegesperrungen, riskante Begegnungen zwischen Mountainbiker*innen und Spaziergänger*innen, Müll oder freilaufende Hunde. Das Projekt „Wir im Wald“ hat praktische Kommunikationskonzepte entwickelt, die Verantwortliche aus Forst, Tourismus, Sport und Naturschutz bei der Konfliktlösung unterstützen. Ein digitaler Handlungsleitfaden und kurze Video-Impulse stehen ab sofort online zur Verfügung. Bei der Abschlussveranstaltung des Projekts mit mehr als 100 Teilnehmenden bestätigten Vertreter*innen aus allen Bereichen: Nutzungskonflikte sind weit verbreitet und der Bedarf an neuen Wegen der Verständigung groß.
Deliberative Kommunikation als Lösungsansatz
Die Bodensee-Stiftung, die Hochschule der Medien Stuttgart (HdM) und die Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg (Koordination) haben im Projekt „Wir im Wald“ gemeinsam erforscht, wie Konflikte zwischen Waldnutzenden entstehen und wie sie mithilfe deliberativer Kommunikation entschärft werden können. Dabei geht es um einen respektvollen, rationalen Austausch zwischen den Konfliktparteien auf Augenhöhe, mit dem Bestreben, die gegenseitige Perspektive kennenzulernen und zu verstehen. Ziel ist eine Lösung, die von allen mitgetragen wird.
Wald – Raum der Begegnung
Der Wald ist für viele Menschen Rückzugsort, Naherholungsgebiet und Raum für verschiedene Sportarten. Der Wald ist aber auch Lebensraum für Flora und Fauna und Ort an dem Holz als Wirtschaftsgut produziert wird. „Noch nie waren so viele Menschen im Wald unterwegs – und noch nie waren ihre Aktivitäten so unterschiedlich. Genau deshalb braucht es einen differenzierten Blick auf Konflikte, damit wir passgenaue Lösungen entwickeln können“, erläutert Dr. Monika Bachinger, Professorin für Tourismus an der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg.
In vier Fallregionen haben die Projektpartner untersucht, was den jeweiligen Konflikt ausmacht, und kommunikative Strategien getestet, um einer Lösung näherzukommen: Im Stadtwald Freiburg standen Konflikte zwischen Radfahrenden und anderen Erholungssuchenden im Fokus. Im Hochsauerland wurde um den Premium-Wanderweg Rothaarsteig zwischen Schmallenberg und Winterberg betrachtet, wie sehr forstwirtschaftliche Eingriffe bedingt durch Borkenkäferbefall und Sturmereignisse Erholungssuchende der Region und den Tourismus beeinträchtigen. Am Hirschberg im Landkreis Miesbach wurde das hohe Besucheraufkommen und die damit verbundene Gefährdung von Flora und Fauna beleuchtet, während am Rangsdorfer See im Kreis Teltow-Fläming die Missachtung von Regeln im Zentrum stand.
Vier Konflikttypen in vier Fallregionen
Die Bodensee-Stiftung erfasste zur Untersuchung der Konflikte u.a. Besucherströme mittels Zählgeräten und Heatmaps, führte Gespräche mit lokalen Akteur*innen sowie Interviews mit Waldnutzenden. „Die Identifikation der Menschen mit ihrem Wald ist sehr hoch“, sagt Andreas Ziermann von der Bodensee-Stiftung. „Persönliche Einstellung, Informationslage und Interessen prägen stark, wie Konflikte wahrgenommen werden und wie sie entstehen.“ „Und: Der Wunsch nach persönlichem Austausch war sehr groß“, ergänzt Volker Kromrey, Geschäftsführer und Leiter des Handlungsfelds Natur- und Gewässerschutz.
Formate, die Brücken bauen
Um dem Bedürfnis nach persönlichem Austausch entgegenzukommen, luden die Projektpartner zu Waldspaziergängen und Diskussionsrunden ein, ergänzten das Informationsbedürfnis mit Podcasts, Videos und Blogbeiträgen und setzten soziale Medien ein, u.a., um größere Gruppen zu erreichen und Menschen die Möglichkeit zur Beteiligung zu geben, die sich vielleicht bei einer öffentlichen Veranstaltung nicht zu Wort melden würden. Die Erfahrungen: „Unterwegs kommt man anders miteinander ins Gespräch. Gehen macht die Gedanken locker“, so beschrieb Katja Lutter von Schmallenberger Sauerland Tourismus, den Gästen der Abschlussveranstaltung ihren Eindruck nach Waldspaziergängen am Rothaarsteig. Markus Mohn, Landschaftspflegeverein Mittelbrandenburg e.V., betonte die Chance des besonderen Ortes: „Die Atmosphäre im Wald ist anders als in einem Tagungsraum oder Landkreisverwaltungsgebäude.“ Entscheidend sei stets das aktive Zuhören, betont Dr. Alexander Mäder, Professor an der HdM: „Mit klug gesetzten Fragen gelingt ein Perspektivwechsel – und genau der öffnet Wege zu gemeinsamen Lösungen.“
Digitaler Leitfaden unterstützt Verantwortliche
Wie das geht, was bei der Planung, Durchführung und Nachbearbeitung von Veranstaltungen zu beachten ist, welchen Einfluss die Moderation hat, was für das Gelingen einer Social-Media-Kampagne wichtig ist, wie Videos ihr Ziel erreichen – darauf gibt ein digitaler Handlungsleitfaden Verantwortlichen aus Forst, Tourismus, Outdoor/Sport und Naturschutz ganz praktische Antworten zur Umsetzung. Checklisten und Erläuterungen, welche Überlegungen dahinter stehen, sind inklusive. „Wenn Sie sich um die Belange von Erholungssuchenden im Wald kümmern oder sich der Forstwirtschaft, dem Tourismus oder dem Naturschutz zuordnen, ist dieser Handlungsleitfaden für Sie gedacht“, so Janina Erb von der HdM.
Sarah Louisa Schmidt, Revierleiterin in Großbeeren, Landesbetrieb Forst Brandenburg, ermutigt zum Ausprobieren: „Für mich hat sich gezeigt, dass Kommunikation einfach der Schlüssel für alles ist. Wir können die Probleme nur gemeinsam lösen.“
Auf der Projektwebseite finden sich weitere Informationen zum Projekt sowie der Handlungsleitfaden zum Download