Grenzüberschreitender Blick auf Bodenqualität

Auf Einladung von Bodensee-Stiftung und Regenerate Forum tauschen Landwirt*innen aus Österreich, der Schweiz und Deutschland in “Boden-AGs” Erfahrungen über die Erhaltung ihrer Böden aus. 40 Interessierte nahmen bei einem Treffen in Koblach Mikroorganismen im Boden in den Fokus.

40 Landwirt*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz waren im Rahmen der Boden-AGs zum Fachtag rund um das Boden-Mikrobiom mit Referent Peter Flaßhoff-Gockel nach Koblach gekommen. Copyright: Bodensee-Stiftung

Der Boden ist das Kapital der Landwirtschaft. Aber: „60 Prozent der Böden in Europa sind geschädigt“, zitierte der Mikrobiomforscher Peter Flaßhoff-Gockel den „Bodenatlas 2024“ bei einer Fachveranstaltung in Koblach. 40 Landwirt*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz waren gekommen, um sich einen Tag lang zur Qualität ihrer Böden auszutauschen und mehr über die Bedeutung und Möglichkeiten zur Qualitätssteigerung des Mikrobioms in ihren Böden zu erfahren. Denn: Geschädigte Böden können ihre natürlichen Funktionen wie Wasserspeicherung oder Sicherung des Nährstoffkreislaufs nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr erfüllen. Pflanzenschutzmittel, übermäßige Nährstoffeinträge, aber auch Hitze, Biodiversitätsverlust und Dürre können hierfür Ursache sein.

Landwirt*innen nehmen die Entwicklung wahr und arbeiten dagegen an. „So kann es nicht weitergehen“, sagte ein Jungbauer, der den Betrieb in Vorarlberg jüngst von seinem Vater übernommen hat. Der Opa habe noch säckeweise Dünger gekauft, der Vater schon tonnenweise. Soll er jetzt den Dünger in LKW anliefern lassen? „Die Natur kann viel mehr, wir müssen jetzt experimentieren“, sagt der Landwirt, der verständnisvoll auf die Handlung seiner Vorfahren blickt: „Bei Mineraldünger sieht man den Erfolg sofort. Wir müssen jetzt mutig sein.“

Moderation durch Bodensee-Stiftung und Regenerate Forum

Um die Landwirtschaft grenzübergreifend darin zu unterstützen, haben Bodensee-Stiftung und Regenerate Forum Bäuerinnen und Bauern aus Österreich, Deutschland und der Schweiz zu „Boden-AGs“ eingeladen und dank des Interesses eine „Boden-AG Ost“ und einer „Boden-AG West“ ins Leben gerufen. Die regelmäßigen Treffen der Landwirt*innen werden mit Mitteln aus dem Interreg-Programm Alpen-Bodensee-Hochrhein finanziell gefördert. Benjamin Fäth und Thomas Fisel vom Regenerate Forum begleiten die AGs durch professionelle Moderation und Fachexpertise. Flankierende Vernetzungsveranstaltungen werden von Bianca Meßmer und Sabine Sommer von der Bodensee-Stiftung organisiert, um möglichst viele Landwirt*innen zu dem Thema zu erreichen und einen Erfahrungsaustausch zu ermöglichen.

Blick nicht nur auf Bodenchemie, sondern auch auf Bodenbiologie

Gülle beeinflusst das Mikrobiom des Bodens. Die Teilnehmenden des Fachtags konnten Unterschiede sehen – und riechen. Copyright: Bodensee-Stiftung

Auf Initiative der AG-Mitglieder Gertrud und Peter Grabher, die in Koblach einen Bio-zertifizierten Gemüseanbau betreiben, war beim jüngsten Treffen Peter Flaßhoff-Gockel zu Gast. Sein Thema: Das Mikrobiom bzw. Nährstoff-Effizienz und Bodengesundheit durch Optimierung des Bodenmikrobioms. Unterhaltsam wie auch eindringlich vermittelte er den Teilnehmenden, nicht nur die Bodenchemie, sondern auch oder vor allem die Bodenbiologie zu betrachten. Denn oft mangle es im Boden nicht an Mineralstoffen, wohl aber an Bakterien, die die Stoffe so aufbereiten, dass Pflanzen sie aufnehmen können. Auch Krankheitserreger würden natürlicherweise von Bakterien eingedämmt – vorausgesetzt, die hierauf spezialisierten Bakterien kommen ausreichend im Boden vor.
Nach einem Vortrag zeigte der Referent den Gästen anhand von Gülle- und Kompostproben ganz praktisch, welchen Einfluss die Biologie auf Böden hat, wie spezielle Bakterien guten Boden fördern oder hemmen und wie die Landwirte das Bodenleben gezielt unterstützen können.

Widerstand gegen Krankheitserreger, Hilfe bei der Aufnahme von Nährstoffen

Das Mikrobiom des Bodens unterscheide sich in seiner Bedeutung nicht von der des Mikrobioms im menschlichen Darm, betonte er: Erst wenn hier die nötigen Bakterien arbeiten, kann der Organismus die lebensnotwendigen Nährstoffe aufnehmen. Das könnten sich die Landwirt*innen zunutze machen: So könne durch Erhöhen von Bakteriengruppen das Pflanzenwachstum, ihre Widerstandskraft und auch die Artenvielfalt erhöht werden. „Für jedes Pathogen im Boden gibt es ein Bakterium, das das Pathogen bekämpft“, betonte der Referent. Er beobachtet zu dem Thema unter den Landwirt*innen einen Paradigmenwechsel: „Wenn ich vor einigen Jahren mit dem Thema Bodenbiologie kam, hieß es: ‚da kümmer ich mich drum, wenn ich mal Zeit habe.‘ Heute fragen sie von sich aus danach.“

Interesse an Boden AGs von Ackerbau über Gemüse- bis Obst- und Gartenbau

Die Boden-AGs betrachten bei ihren Treffen verschiedene Perspektiven: Neben dem Mikrobiom sind Struktur, Gefüge, Wasserkapazität, Humus- und Nährstoffgehalt zentrale Bodeneigenschaften, die den wirtschaftlichen Ernteerfolg bestimmen. Ob sich diese Eigenschaften im Laufe eines Jahres verbessern oder verschlechtern, können Landwirt*innen selbst stark beeinflussen. „Die Boden-AGs leben von der Vielfalt der Mitglieder, von Acker-, über Gemüse-, und Obst- bis Gartenbau, aus konventioneller und biologischer Landwirtschaft“, erläutert Sabine Sommer, Projektleiterin seitens der Bodensee-Stiftung. „Wir möchten zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft beitragen, indem wir regenerative Maßnahmen fördern und gemeinsam umsetzbar machen“, sagt Benjamin Fäth, der für das Regenerate Forum die Gruppen koordiniert, inhaltliche Wünsche aufnimmt und entsprechend auch externe Referentinnen und Referenten einlädt.

Peter Flaßhoff-Gockel gab den Landwirt*innen Tipps zur Steigerung der Bodengesundheit durch Optimierung des Mirkobioms. Copyright: Bodensee-Stiftung

Auch Hans Oppikofer aus Egnach in der Schweiz bringt seine Erfahrungen in die Boden-AG ein. Auf seinem Bio-Hof „Mausacker“ bewirtschaftet er 500 Hochstammbäume auf Streuobstwiesen für seine Mosterei. Zusammen mit einem Nachbarn betreibt er eine Baumschule, außerdem erweitern noch 1,4 Hektar Ackerfläche im Agroforstsystem das Grundstück. Zwei Schafherden, ca. 40 Tiere, setzt er zum Mähen der Streuobstwiesen ein. Er schätzt den fachlichen Austausch über den Bodensee hinweg und konnte schon einige Impulse für seine Arbeit mitnehmen. Beim jüngsten Treffen zum Mikrobiom zum Beispiel zur Kompostherstellung: Schon bisher produziert Hans Oppikofer Kompost in verschiedenen Teilbereichen mit jeweils gestaffelten Temperaturen. Nun will er noch mehr experimentieren, damit die Belüftung noch besser gewährleistet ist.

„Wir müssen in der Landwirtschaft etwas ändern“, sagt der Schweizer Landwirt überzeugt. Seine Erfahrungen gibt er auch außerhalb der Boden-AGs gerne weiter, zum Beispiel hat er bereits Auszubildende von befreundeten Betrieben zum Thema Biodiversität geschult. Im Juli steht bei der Boden-AG West das nächste Treffen an. Auf dem Hof eines konventionell wirtschaftenden AG-Mitglieds im deutschen Hegau werden nichtwendende Bodenbearbeitung und Biostimulantien Themen sein.