Blühbotschafter-Kongress verknüpft Insektenschutz mit Klimawandelanpassung von Kommunen

Tagung in Lindau bietet Austausch und Weiterbildung für ehrenamtliche Insektenförderer und setzt Impulse für klimaresiliente Siedlungen.

Rund 50 Teilnehmer*innen zählte der Blühbotschafterkongress in Lindau. Sie tauschten sich darüber aus, wie sie in ihrem privaten Umfeld Insektenschutz fördern können und vor welche Herausforderungen sie der Klimawandel dabei stellt. Copyright: Bodensee-Stiftung

Eine große Portion Inspiration, inhaltliches und methodisches Wissen und gegenseitiger Rückhalt in der ehrenamtlichen Tätigkeit: Dieses Paket nahmen die rund 50 „Blühbotschafter“ von ihrem Kongress in Lindau mit. Die Bodensee-Stiftung und das Naturerlebniszentrum Allgäu hatten im Rahmen des Interreg-Projekts Zukunftsgrün zu der Tagung eingeladen. Die Organisationen haben in den vergangenen Jahren knapp 200 Blühbotschafterinnen und Blühbotschafter im süddeutschen Raum ausgebildet, die sich nun ehrenamtlich in ihrem privaten Umfeld für die Förderung bestäubender Insekten einsetzen. Wie? Berichte darüber standen im Zentrum der Veranstaltung wie auch die Frage, wie die Blühbotschafter*innen auf den Klimawandel reagieren und damit auch Städte und Gemeinden in der Klimawandelanpassung unterstützen können.

Beispiele aus der Praxis der Blühbotschafter*innen

Der fünftägige Lehrgang zum Blühbotschafter beinhaltet neben viel Wissen über ökologische Zusammenhänge von Pflanzen und deren Bestäuber auch Einblicke in mögliche Handlungsfelder: Was sind mögliche Argumente für Firmen, ihre Flächen naturnah zu gestalten? Welche Optionen zur ökologischen Aufwertung haben Gemeinden? Wie er dies aufgreifen konnte, zeigte Blühbotschafter Gerhard Honold bei der Tagung: Er hat in Untermaiselstein die Anlage von 1500 Quadratmetern Blühwiesen in einem Neubaugebiet angeregt und mit Rückhalt des örtlichen Bauhofs begleitet. Mit beachtlichem Erfolg: Auch Privatleute waren bereit, ihre Gärten naturnah zu gestalten oder zumindest Teile ihres englischen Rasens aufzugeben. Allerdings, so räumte Honold ein, sei sehr viel Informationsarbeit nötig, nicht nur im Winter, wenn Flächen „besonders ungepflegt“ aussehen.

Andere Ästhetik: Erklären, erklären, erklären

Auf einem „Markt der Möglichkeiten“ stellten sich die Blühbotschafter*innen ihre Projekte vor. Copyright: Bodensee-Stiftung

Wie ein roter Faden zog sich der Bedarf an Aufklärung durch die Tagung. Die Bürger*innen und die Lokalpolitik begegneten ihnen mit hohen Erwartungen, betonten die Teilnehmenden. Der Druck sei hoch, „etwas fürs Auge“ zu bieten. „Ordnungsliebende Mitbürger*innen müssen stark sein“, betonte Hauptredner Alfred Karle-Fendt. Denn: Was ordentlich aussieht, sei aus ökologischer Sicht oft wenig wert – vor allem exotische Gartenpflanzen oder stark gepflegte Rasenbereiche böten Insekten kaum Nahrung. Zudem würden durch regelmäßiges Mähen wichtige Strukturen zerstört.

„Das meiste Leben spielt sich unten ab”

Fendt lenkte den Blick auf die Bedeutung von Stängeln, Halmen und Blättern als Lebensraum für die verschiedenen Entwicklungsstadien von Insekten -vom Ei über Larve und Raupe bis zur Puppe. „Die unteren zehn Zentimeter sind entscheidend!”, betonte er. Zu kurze Mahd sei auch im Hinblick auf den Klimawandel problematisch: Höhere Wiesen ermöglichen Insekten und Spinnen bei Starkregen das Überleben, indem sie hochkrabbeln können.

Klimawandelanpassung durch mehr Grün

Hauptredner Alfred Karle-Fendt zeichnete beim Blühbotschafterkongress die Entwicklung von Wiesen über das Mittelalter bis heute nach und beschrieb, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die weitere Entwicklung haben wird. Copyright: Bodensee-Stiftung

Höhere Wiesen haben Vorteile im Siedlungsbereich: Sie sorgen für eine Bodenstruktur, die Wasser länger halten und durch Verdunstung kühlen kann, gleichzeitig aber auch Starkregen abpuffert und so die Kanalisation entlastet. Fendt plädierte für einen stufigen Aufbau von Wiesen und Gärten: Ideal sei eine Staffelung von Kräutern, Hochstauden und Gehölzen, um alle Lebensstadien von Insekten zu unterstützen – von der Eiablage über die Aufnahme von Pollen und Nektar bis zum Winterquartier in Baumhöhlen.
Auch Landschaftsarchitekt Gerhard Rohrmoser und Simone Kern, ebenfalls Landschaftsarchitektin und zudem Gartenbuch-Autorin, ermutigten zu heimischen Gehölzen im Siedlungsbereich. Alte Arten wie Elsbeere, Speierling oder Mehlbeere seien klimaresistent und könnten kühlen, Lärm reduzieren, die Luft reinigen und zudem Sichtschutz bieten. „Gehölze machen Klima“, betonte Simone Kern. Wichtig sei die kluge Auswahl: Angesichts von zunehmenden Trockenphasen seien Tief- und Herzwurzler (z.B. Kirsche) Flachwurzlern vorzuziehen.
Übrigens: Die Ansiedlung von Pflanzen aus anderen Klimazonen sei keine adäquate Reaktion auf den Klimawandel. Stattdessen empfahl Simone Kern den Teilnehmer*innen aus dem Voralpenraum, sich in Regionen Deutschlands mit anderen klimatischen Bedingungen umzusehen. Zum Beispiel sei auf der Schwäbischen Alb zu beobachten, wie Haselnuss, Kornelkirsche oder Wildrose sehr gut mit Hitze und langer Trockenheit zurechtkomme. Sicher ist sie sich: „Der Rasen ist ein Auslaufmodell“, auch weil immer mehr Gemeinden eine Bewässerung untersagen.

Kinder: Insektenfreunde ohne Vorbehalte

Laurence Neumann (zweite von links), Umweltbildungsreferentin am Naturerlebniszentrum Allgäu, lud die Gäste des Blühbotschafterkongress dazu ein, auf Insektensuche zu gehen. Copyright: Bodensee-Stiftung

Wie die Blühbotschafter*innen Kinder für Insektenschutz und -förderung sensibilisieren können, war ebenfalls Teil der Tagung. Laurence Neumann, Umweltbildungsreferentin am Naturerlebniszentrum Allgäu, schickte die Tagungsgäste selbst auf Entdeckungsreise und machte so erlebbar, wie sich Themen wie Artenvielfalt, Pflanzenkenntnis und Lebensraumverlust in Kombination von naturpädagogischen Methoden mit ökologischem Fachwissen kindgerecht und anschaulich vermitteln lassen.
Zum Abschluss ermutigte Saskia Wolf, Projektleiterin bei der Bodensee-Stiftung, die Ehrenamtlichen, ihren Weg weiterzugehen: „Ihr müsst keine großen Projekte umsetzen. Auch kleine Elemente können viel bewirken“, gab sie ihnen mit auf den Weg.

Blühbotschafter*innen – Wer ist das und was machen sie?
Die Liebe zur Natur und die Sorge um die biologische Vielfalt ist die gemeinsame Motivation. Wie die Blühbotschafter*innen ihr Wissen ein- und umsetzen, variiert stark – abhängig unter anderem von der persönlichen Lebenssituation, dem individuellen Zeitbudget und der jeweiligen Persönlichkeit. Sie wirken als Vorbilder, regen beim Bauhof ihrer Gemeinde oder auch auf Unternehmensflächen ihres Arbeitgebers die veränderte Pflege der Grünflächen an. Mit großem Engagement und Zeitaufwand bilden sie sich auch nach der Ausbildung fort, mit privater Lektüre, im Austausch untereinander, in Online-Fortbildungen und Exkursionen, wie diese zu den landwirtschaftlichen Betrieben.
Weitere Informationen auf der Website www.bluehbotschafter.eu Hier zeigt eine Landkarte, wo welche Blühbotschafter*innen aktiv sind. Die Bodensee-Stiftung gibt das Ausbildungskonzept interessierten Bildungsinstitutionen weiter. Interessierte können sich an Saskia Wolf wenden. Die Blühbotschafter sind im Rahmen des Interreg Projekts „Bürger – Bienen – Biodiversität: Engagement mit Mehrwert“ ins Leben gerufen worden. Aktuell werden Aus- und Fortbildungen über das Interreg-Projekt „Zukunftsgrün“ finanziert.