Label kennzeichnet nachhaltige Substratherstellung

Erstes internationales Zertifizierungssystem für nachhaltige Torfersatzstoffe und torfreduzierte Substrate im Regelbetrieb – Projektpartner feiern im Bundeslandwirtschaftsministerium Abschluss der Entwicklung von „HORTICERT“ – Zertifikat wurde bereits 23 Mal in fünf Ländern vergeben

Mit HORTICERT ist erstmals ein internationales Zertifizierungssystem verfügbar, das die gesamte Lieferkette von Blumenerden, Kultursubstraten und aller wesentlichen Torfersatzstoffe – darunter Grüngutkompost, Holzfasern, Rindenhumus und kokosbasierte Produkte – überprüft. Ziel ist eine nachhaltige, transparente und weitestgehend torffreie Substratindustrie, die ökologische, soziale und ökonomische Standards erfüllt und damit sowohl Herstellern, dem Handel als auch Verbraucher*innen Orientierung bietet. Seit dem Start des Regelbetriebs im Jahr 2024 wurden bereits 23 Zertifikate in fünf Ländern vergeben.
HORTICERT legt verbindliche Nachhaltigkeitsanforderungen fest, begrenzt den zulässigen Torfanteil in Substraten und definiert eine standardisierte Methodik zur Berechnung des CO2-Fußabdrucks von Torfersatzstoffen und Substraten. Zusätzlich gibt HORTICERT Anforderungen an die lückenlose Rückverfolgbarkeit von Warenströmen vor, um zu gewährleisten, dass nur die Menge an Material als nachhaltig verkauft wird, die tatsächlich zertifiziert wurde. Die Einhaltung aller Anforderungen wird durch jährliche Audits unabhängiger Zertifizierungsstellen überprüft.

Zertifizierung trifft Nerv der Zeit

Das Zertifizierungssystem wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) unter Projektträgerschaft der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) entwickelt – eingebettet in das Klimaschutzprogramm 2030 und die Torfminderungsstrategie der Bundesregierung. Die Strategie sieht vor, den Einsatz von Torf im Hobbygartenbau bis 2026 zu beenden und im Profigartenbau bis 2030 weitestgehend zu reduzieren. Seit Herbst 2021 wurde das Zertifizierungssystem in einem Multi-Stakeholder-Prozess unter der Leitung der Meo Carbon Solutions GmbH mit über 40 Partnern aus Industrie, Handel, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, darunter die Bodensee-Stiftung, entwickelt. Die Praxisnähe zeigt sich bereits in der Anwendung: 2024 erhielt das Erdenwerk Gebrüder Mayer – Produzent für toom Baumarkt – als erstes Unternehmen in Deutschland die HORTICERT-Zertifizierung. „Zur Förderung von nachhaltigeren Alternativen zu Torf ist der Aufbau eines Zertifizierungssystems für Torfersatzstoffe ein wichtiger Baustein. Wir sind stolz, maßgeblich an diesem Prozess beteiligt zu sein“, sagte Dominique Rotondi, Geschäftsführer Einkauf und Logistik bei toom Baumarkt, anlässlich der Verleihung. Seit dem Frühjahr 2025 ist die erste HORTICERT-zertifizierte Blumenerde bei toom Baumarkt erhältlich.

Die Bodensee-Stiftung brachte sich aktiv in die Ausgestaltung des Systems ein. „Wir sind stolz darauf, dass wir mit unserer ökologischen Risikobewertung unterschiedlicher Torfersatzstoffe und unserer langjährigen Erfahrung im Auditing zum Gelingen der HORTICERT-Zertifizierung beitragen konnten“, sagt Volker Kromrey, Geschäftsführer der Bodensee-Stiftung. Die Stiftung führte Expertengespräche zu Umweltwirkungen, Rohstoffqualitäten und sozialen Kriterien, überarbeitete Auditlisten und begleitete ein Pilotaudit im Kompostwerk Singen. Zudem erstellte sie Benchmarks der HORTICERT-Anforderungen im Vergleich zu bestehenden Holzzertifizierungen wie FSC und PEFC und unterstützte damit die Entwicklung eines Anerkennungsansatzes, der Doppelzertifizierungen vermeidet.

Gewinn für Unternehmen, Handel und Verbraucher

Unternehmen in Gartenbau, Handel und der Substratproduktion unterstützt das System bei der Erfüllung gesetzlicher Anforderungen wie dem LkSG, der CSRD oder der EU-CSDDD. Auch vor dem Hintergrund der neuen EU-Verbraucherschutzrichtlinie (EmpCo, 2024/825) gewinnt HORTICERT an Bedeutung. Ab 2026 dürfen Nachhaltigkeitssiegel nur noch genutzt werden, wenn sie von öffentlichen Stellen stammen oder auf einem unabhängigen Zertifizierungssystem beruhen – genau diesem Anspruch entspricht HORTICERT seit Beginn. Bei Verstößen gegen die Systemanforderungen kann ein Zertifikat ausgesetzt oder entzogen werden. HORTICERT unterstützt somit bei der Erfüllung der ESG-Berichtspflichten sowie im Marketing.
Mit HORTICERT steht Herstellern, Handel und Verbraucher*innen nun ein vertrauenswürdiges, unabhängiges und international anwendbares System zur Verfügung, das den Wandel hin zu einer torffreien und klimafreundlichen Substratwirtschaft beschleunigt.

Stakeholderkonferenz – Meilenstein auf dem Marathon

Die Entwicklung eines Zertifizierungssystems ist kein Sprint, sondern ein Marathon – darüber waren sich die Teilnehmer*innen des 9. Stakeholder-Workshops am 25. November 2025 im Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) in Berlin einig. Die Meo Carbon Solutions GmbH hatte zum Projektabschluss hierzu eingeladen. Im Fokus standen die aktuellen Projektentwicklungen, die Meilensteine des dritten und letzten Arbeitspakets sowie die Weiterentwicklung von HORTICERT über das Projektende hinaus.
Neben aktuellen Einblicken in das Projekt teilten Vertreter*innen aus der Forschung sowie von Zertifizierungsstellen, Verbänden und NGOs ihre Erfahrungen mit HORTICERT. Zudem wurde das neue digitale Rückverfolgungstool HORTI-TRACE vorgestellt. Katrin Jaeger, Senior Project Manager bei Meo Carbon Solutions stellte heraus, „dass HORTI-TRACE zu einem bürokratiearmen und gleichzeitig transparenten Zertifizierungssystem mit hohen Datensicherheitsstandards beiträgt.“

Cornelia Berns, Unterabteilungsleiterin der Abt.71 Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Pflanzliche Erzeugung, Gartenbau im BMLEH, hob die Bedeutung der Torfstrategie für den Erhalt sowie die Wiederherstellung von Mooren und damit den Klimaschutz sowie die Förderung der Biodiversität hervor. Mit HORTICERT bekomme die Substratindustrie ein verlässliches Instrument an die Hand. Vorgaben auf europäischer Ebene wie die LULUCF-Verordnung (Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft; Land Use, Land-Use Change and Forestry) sowie die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur werden dazu führen, dass perspektivisch in Europa kein Torf mehr abgebaut werden wird.
Dr. Andreas Schütte, Geschäftsführer der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) betonte, dass das BMLEH sich bewusst gegen eine Machbarkeitsstudie entschieden, sondern einen konkreten Auftrag zur Erarbeitung eines Zertifizierungssystems vergeben habe. Die Kommunikation des Ministeriums zeige, dass es hinter HORTICERT stehe. Der Handel sei gut darin beraten, sich frühzeitig für dieses fundierte und transparente System zu entscheiden.

Auf dem Marathon zur erfolgreichen Etablierung von HORTICERT sei man Riesenschritte vorangekommen. Der Praxistest ist bestanden und in den Regelbetrieb übergegangen. MEO Carbon Solutions sicherte über die Projektlaufzeit hinaus die Weiterführung des Zertifizierungssystems zu. „Die Voraussetzungen sind also erfüllt, dass die Branche und der Handel das System übernehmen können“, betont Andreas Ziermann von der Bodensee-Stiftung, einer der Teilnehmer einer abschließenden Panel-Diskussion.

Hintergrund:

Moore zählen zu den wichtigsten terrestrischen Kohlenstoffspeichern. Intakte Moore binden sechs Mal mehr Kohlenstoff im Boden als Wälder auf gleicher Fläche. Degradierte und entwässerte Moore geben hingegen Kohlenstoff an die Atmosphäre ab und tragen somit zum Klimawandel bei. Dennoch wird weiterhin Torf für Blumenerden und Kultursubstrate abgebaut. Im Substrat finden Zersetzungsprozesse des Torfs statt, die hohe Treibhausgasemissionen verursachen. Der Verzicht auf Torf im Gartenbau reduziert die mit Torf verbundenen Treibhausgasemissionen und trägt somit zum Klimaschutz bei. In Deutschland machte der Emissionsbeitrag aus entwässerten Moorböden im Jahr 2020 7,5 % der gesamten nationalen Treibhausgasemissionen aus.