Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel: Bodenstruktur und Nachhaltigkeit sind wichtige Faktoren für mehr Ertragssicherheit

Bundesweite Fachtagung in Stuttgart – Anpassungsstrategien für Ackerbau, Tierhaltung sowie Obst- und Weinbau – Info-Webtool ab Februar 2020 verfügbar

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Stuttgart – Über 70 Fachleute aus mehreren Bundesländern diskutierten bei einer Fachtagung in Stuttgart kurz- und langfristige Anpassungsmöglichkeiten für die Landwirtschaft an den Klimawandel. Der Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, Peter Hauk MdL, eröffnete die Fachtagung und unterstrich dabei die Bedeutung einer nachhaltigen Anpassung: „Hagel, Dürren und Rekord-temperaturen nehmen durch den Klimawandel zu. Die Landwirtschaft in Baden-Württemberg muss sich anpassen, um existenzgefährdende Ertrags- und Qualitätseinbußen zu vermeiden und auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag für die Ernährung der Bevölkerung und die Pflege der einmaligen Kulturland-schaften leisten zu können. Und wenn wir von Anpassung sprechen, dann von nachhaltiger Anpassung und dies mit Unterstützung durch die Gesellschaft.“ Mehr Nachhaltigkeit in der Bewirtschaftung und eine verbesserte Bodenfruchtbarkeit waren auch zentrale Themen der zweitägigen Veranstaltung, zu der die Bodensee-Stiftung im Rahmen des EU-Projekts „LIFE AgriAdapt“ am 18. und 19. November eingeladen hatte.

Der Klimawandel ist weltweit eine der wichtigsten Herausforderungen, der sich auch die Landwirt*innen in Europa stellen müssen. „Aus unserer Sicht spielen die Faktoren Bodenfruchtbarkeit und nachhaltigere und damit robustere Anbausysteme eine zentrale Rolle, um den steigenden Anbaurisiken durch den Klimawandel besser begegnen zu können“, sagte Patrick Trötschler, stellvertretender Geschäftsführer der Bodensee-Stiftung.

Ein gesunder Boden ist die Grundlage für einen gut angepassten Betrieb

Die Schlüsselrolle des Bodens bei der Klimaanpassung stellten auch Dr. Jörn Breuer vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) und Dr. Dietmar Rupp der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg (LVWO) in ihren Vorträgen heraus. Ein offener und degradierter Boden ist anfällig für Erosion durch Wind und Wasser. Starkniederschläge, die mit dem Klimawandel zunehmend und stärker auftreten werden, können zu Verschlämmung und oberflächlichem Abfluss von Wasser und Bodenmaterial führen. Das führt zu steigendem Verlust des Bodens, der die Produktionsgrundlage für die Landwirtschaft darstellt.
Ein gesunder Boden mit einer stabilen Krümelstruktur hingegen kann Wasser schnell aufnehmen, Erosion vermeiden und Wasser deutlich länger speichern. Diese Pufferfunktion des Bodens wird in Zeiten des Klimawandels immer bedeutsamer. Der regelmäßige Anbau von geeigneten und vielfältigen Zwischen-früchten, abwechslungsreiche und weite Fruchtfolgen sowie eine möglichst ganzjährige Bodenbedeckung helfen, die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen. Gleichzeitig kann der Humusgehalt ansteigen und somit die Klimaschutzleistung der Landwirtschaft verbessern.

Anbausysteme nachhaltiger und robuster gestalten – Ertragssicherheit statt Ertragsmaximierung

Die Bodensee-Stiftung stellte auch den neu entwickelten Klimawandel-Check für landwirtschaftliche Betriebe vor, der im Rahmen des Projektes LIFE AgriAdapt entwickelt wurde. Der Klimawandel-Check unterstützte in einer Pilotphase 30 Landwirt*innen in Baden-Württemberg und EU-weit insgesamt über 120 Betriebe bei der Einschätzung ihrer Risiken und Chancen durch den Klimawandel. Zudem hilft er bei der Bewertung geeigneter nachhaltiger Anpassungsmaßnahmen, um die Anfälligkeit des Betriebs zu verringern. „Die Anbausysteme sollten nachhaltiger und robuster werden gegenüber den möglichen Auswirkungen des Klimawandels. Weite Fruchtfolgen, Untersaaten oder Mischkulturen können das Anbaurisiko verringern“, betont Patrick Trötschler. „Betriebsziel ist dann nicht mehr die durch hohen Input erkaufte Ertragsmaximierung pro Jahr, die mit hohem Risiko verbunden ist. Vielmehr sollten die Landwirt*innen eine hohe Ertragssicherheit über einen Zeitraum von zum Beispiel 10 Jahren anstreben“, ergänzt Projektmitarbeiter Andreas Ziermann von der Bodensee-Stiftung.

Hochklassische Referierende gestalten ausgewogenes Programm

Maßgeblich zum Erfolg der Veranstaltung beigetragen haben Fachleute aus Einrichtungen, wie dem Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg (LTZ), dem Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg (LAZBW), der Landesanstalt für Schweinezucht Boxberg (LSZ), dem Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg (WBI), der Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg (LVWO), dem FiBL Schweiz sowie einige Pilotbetriebe aus dem Projekt AgriAdapt. Sie alle gingen auf die Herausforderungen durch den Klimawandel, aber auch auf Möglichkeit ein, durch nachhaltige Anpassungsmaßnahmen die Anfälligkeit der Landwirtschaft gegenüber dem Klimawandel zu verringern.

EU-Projekt AgriAdapt bietet maßgeschneiderte Informationen und Maßnahmen für die Landwirtschaft

Ab Februar 2020 werden die AgriAdapt-Projektpartner aus Spanien, Frankreich, Deutschland und Estland auch ein Webtool öffentlich und kostenfrei bereitstellen. Damit können Landwirt*innen und weitere landwirtschaftliche Fachleute ihr Klimawandelwissen erweitern und ergänzen. Das Webtool wird dazu für ganz Europa Klimaprojektionen bis 2046 zu agroklimatischen Indikatoren verarbeiten und regionalspezifisch aufbereiten. Damit werden die möglichen Auswirkungen des Klimawandels für die Landwirtschaft deutlich praxisrelevanter vermittelt. Zudem werden zahlreiche nachhaltige Anpassungsmaßnahmen vorgestellt.

Seit Herbst 2016 koordiniert die Bodensee-Stiftung das EU-weite Projekt „LIFE AgriAdapt – nachhaltige Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel“. Das übergeordnete Projektziel ist die Entwicklung, praktische Erprobung und Verbreitung von Maßnahmen, die zu einer nachhaltigen Anpassung landwirtschaftlicher Betriebstypen an den Klimawandel führen und die Betriebe damit weniger anfällig machen. Das Projekt wird gefördert durch das Programm EU LIFE sowie durch das Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg, die Landwirtschaftliche Rentenbank in Frankfurt, den Landkreis Bodenseekreis und die Molkerei OMIRA. Mehr unter www.agriadapt.eu

Das Programm der Fachtagung und die Präsentationen finden Sie unter der Projekthomepage AgriAdapt.

Abends stießen noch einige Teilnehmende mit der Bodensee-Stiftung auf ihr 25 jähriges Bestehen mit einem Streuobstprosecco vom Bodensee an. (Copyright Bodensee-Stiftung)